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Karl V. als Herrscher des Erdkreises
Etwa vierzig Jahre nach der Abdankung Kaiser Karls V. ist die Verherrlichung seiner Herrschaft als eines von 13 Bildern in einem Zyklus zum Ruhm der Dynastie der Habsburger geschaffen worden. In Auftrag gegeben hat die Gemäldeserie Baron Reichard Streun von Schwarzenau (1537-1600) für sein Schloss Freidegg in Niederösterreich.
Das Bild zeigt im Zentrum Karl V. mit Siegerkranz und in der Rüstung der Schlacht von Mühlberg, dem Augenblick seiner größten Machtposition. Als Vorbild für Karls Darstellung diente ein verlorenes Brustbild Karls von Tizian aus dem Jahre 1548. Seinen linken Fuß setzt der Kaiser auf die Weltkugel. In zahlreichen Szenen, Figurengruppen, Inschriften und Symbolen wird an seine militärischen Siege erinnert. Auf der linken Bildhälfte im Vordergrund kniet der pfälzische Kurfürst Friedrich II., der im Schmalkadischen Krieg zur Reformation übergetreten war und den Herzog von Württemberg gegen Karl unterstützt hatte. Die nächste Reihe hinter ihm bilden der Herzog von Braunschweig, der Landgraf von Hessen, der Kurfürst von Sachsen, der Herzog von Württemberg und der Herzog von Jülich-Cleve. In der ständischen Abfolge hinter diesen Fürsten reihen sich die 18 Städte des Schmalkadischen Bundes: Magdeburg, Halberstadt, Konstanz, Sardau, Augsburg, Ulm, Frankfurt am Main, Nürnberg, Eysin, Ulrichstein, Wimpfen, Reutlingen, Rothenburg am Neckar, Dinkelsbühl, Memmingen, Neumarck oder Rottweil, Tull (?) und Wangen. Auf dem Säulensockel vorne, zwischen Karl und den Verbündeten, ist die Inschrift zu lesen: D{ivo} CAROLO / MAX{imo} AVG{usto} / OB GERM{aniam} PACATAM ("Dem vergöttlichten Karl, dem höchsten Kaiser wegen des befriedeten Deutschlands").
Im Vordergrund der rechten Bildhälfte knien die Personifikationen französischer Städte wie Logny, Saint Dizier, Toul und Chalons. Hinter diesen Städten, am rechten Bildrand, steht der französische König, umgeben von acht Tondi mit der Bezeichnung von Siegen Karls über Franz I. und seine Verbündeten. Rechts neben Franz I. finden sich seine gefangenen Heerführer, ganz vorne der hingerichtete Strozzi; der dazugehörige Tondo trägt die Inschrift: DE GALLIS / ET STROZZA / CAES{is} ("Von getöteten Franzosen und Strozza"). Im Hintergrund, über den Heerführern, sieben Frauengestalten mit einer heute nur noch fragmentarisch erhaltenen Inschrift: ITALIA SVBACT{a} ("Italien unterworfen"). Dies korrespondiert mit der obersten der Tondi um Franz I.: GALLO AD / TICINUM / CAPTO ("Der Franzose bei Pavia gefangen").
In unmittelbarer Nähe zu dem besiegten Frankreich und den niedergeworfenen italienischen Städten steht Papst Clemens VII. neben der personifizierten Roma, zugeordnet damit den militärischen Gegnern und unterworfenen Feinden des Kaisers: PONT{ifece} / IN POT{estatem} RED{acto} / ROMA / CAPTA ("Der Papst unter Botmäßigkeit gebracht, Rom eingenommen"). Abgesehen davon, dass der Sacco di Roma das Werk sich blindwütig ihren Sold eintreibender Söldnertruppen war, wird hier der Papst auf eine Ebene mit den anderen Feinden der Herrschaftsansprüche Karls gestellt.
Der Bereich über den Franzosen und dem Papst ist den Kämpfen gegen das osmanische Reich, dessen verbündete Staaten Algier, Tunis und Tripolis sowie die mittelmeerischen Piratenflotten gewidmet. Herausgehoben sind die Ereignisse um die Eroberung von Tunis 1535 - einer der größten militärischen Erfolge Karls gegen die mittelmeerischen Muslimstaaten: GOLETA / EXPVG{nata} ... TVNETO CAPTO / CLASSE ABDVCAT{a} / XIX M CAPT{is} / LIB{eratis} ("Goleta erstürmt ... Tunis erobert, die Flotte weggeführt, 19000 Gefangene befreit"). Auch hier zeigt sich, dass nicht unbedingt historische Wahrheit die Bildkomposition beherrscht. Die Flotte des türkischen Vasallen Chaires-Din Barbarossa konnte entfliehen und behielt die maritime Vorherrschaft auch im westlichem Mittelmeer. Rechts davon wird der Seesieg Andrea Dorias von Malta 1550 über die türkische Flotte gerühmt: CLASSE ITVRC{orum} II DELE / TA APPRODISIO / EXPVG{nata} DRAGVITO FVSO FV/GATOQ{ue} ("Die unzerstörte Flotte der Türken bei Aprodisio besiegt, Dragut [i.e. ein muslimischer Seeräuber] niedergeworfen und in die Flucht geschlagen"). Neben zwei weiteren noch nicht endgültig interpretierten Inschriftentondi wird der Bereich von einer von zwei Elefanten gestützten Tafel bekrönt: AFRICA / DEVICTA ("Afrika völlig besiegt"), was sich auf den Tunisfeldzug bezieht.
Die linke Bildseite oberhalb der Schmalkadischen Bundesgenossen repräsentiert die (Wieder-)Herstellung der habsburgischen Hausmacht. Der spanische Turm mit den drei aufgespießten Köpfen verweist auf die Niederschlagung des Aufstandes der Comuneros, die Karls Herrschaftsantritt in Spanien überhaupt erst möglich machte: HISPAN{ia} - IN GRAT{iam} RECEPT{a} ("Spanien in Dank erhalten"). Darunter finden sich weitere Stationen der Herrschaftsbefestigung bzw. -erweiterung des Habsburgerreiches: Neapel, Gent, Dura, Geldern, Tournai, Mailand; ungeklärt ist die Bedeutung von PADIGLIA. Gerahmt wird Karl im oberen Bildbereich von den Säulen des Herkules. Sie tragen die Devise Karls, PLVS VLTRA ("Darüber hinaus") und die Inschrift VI/CTO/RI / OR/BIS / ET / VR/BIS ("Dem Sieger des gesamten Weltkreises"). Hier ist nun auch der Bezug zur Weltkugel unter dem Fuß des Kaisers hergestellt. Am Rechten Bildrand - jenseits der Säulen des Herkules - ist die Neue Welt symbolisiert. Auf der mittleren Tafel: INDIA CAP/TA NOVE / ORBE SVBACTO ("Westindien erobert, die Neue Welt unterworden"). Die elf anderen darum gruppierten Tafeln bezeichnen die Länder Amerikas unter spanischer Herrschaft: ESPAN/OLA, NICAR/AGVA, TIERRA / FIRME, NVEVA, YVCA/AN, PERV, VENEC/VELA, GVATI/MOLA, POM/PA/TAN, RIO / DELA / PLATA, FLORI/DA.
Es ist nicht Aufgabe des allegorischen Fürstenbildes, historisch korrekt zu sein. Zu deutlich sind auch in diesem Fall die Widersprüche zwischen Realität und dargestelltem Wunschbild. Zu erinnern ist hier u.a. an Karls Niderlage im Fürstenkrieg, seine Machtlosigkeit bei der Aushandlung des Augsburger Religionsfriedens in der Religionsfrage oder an die weiter bestehende Bedrohung des Habsburgerreiches durch Frankreich und das osmanische Reich. Der religionspolitische Impetus, der die Herrschaftszeit Karls ebenfalls prägte, ist in dem Huldigungsgemälde an den Kaiser überhaupt nicht thematisiert und nur die machtpolitischen Aspekte seiner Herrschaft sind hervorgehoben. Der Papst ist so einer unter vielen Gegnern des Habsburgerreiches, die deutschen protestantischen Fürsten werden nicht mehr zum gemeinsamen Glauben geführt, und der Aspekt der Christianisierung der amerikanischen Völker spielt keine Rolle. Die Weltherrschaft Karls begründet sich in der militärischen Niederwerfung seiner Feinde. Am unteren Rand des Bildes, jeweils in der Mitte der beiden Bildhälften, finden sich zwei Steinblöcke mit den Inschriften PARCHERE SVBIECTIS ET auf der linken und DEBELLARE SVPERBOS auf der rechten Seite ("Schone die Unterworfenen und kämpfe die Empörer nieder"). Das auf Vergil, Aeneis, VI, 853, zurückgehende Zitat ruft dazu auf, die Feinde differenziert zu behandeln. Die Stände und Untertanen seines Kaisertums, vorrangig die Vertreter des Schmalkadischen Bundes, sollen in die Herrschaft des Hauses Habsburg in Frieden zurückgeführt werden. Dagegen sind die fremden Herrschaften in ihrer Macht zu brechen; so werden sie der habsburgischen Macht unterworfen und stellen keine Gefahr mehr dar für die hier rein militärisch verstandene Universalherrschaft. Die völlige Säkularisierung dieses Geschichtsbildes zeigt sich nicht nur in der Positionierung der evangelischen Reichsstände, sondern auch in der des Papsttums. Es steht inmitten der bekriegten und unterworfenen Feinde Karls, ohne den Hinweis auf eine "höhere" Gemeinsamkeit mit dem römischen Kaisertum im Sinne der Monarchia universalis.
Quelle: Carl A. Hoffmann, Markus Johanns, Annette Kranz, Christof Trepesch, Oliver Zeidler: Als Frieden möglich war. 140 Jahre Augsburger Religionsfrieden. Begleitband zur Ausstellung im Maximilianmuseum Augsburg. Regensburg: Schnell & Steiner 2005.
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