Krippendorff, Ekkehart
| Ekkehart Krippendorff
*22.3.1934 in Eisenach
†27.2.2018 in Berlin |
Deutscher
Politikwissenschaftler, Professor für Internationale Beziehungen der Johns
Hopkins University, Bologna und der FU Berlin, John F. Kennedy-Institut und
Otto Suhr-Institut mit literarischen Neigungen
Friedensforscher,
USA-Experte, Italien-Experte, Politischer Theoretiker zum Thema Politik in Literatur
und Theater, Goethe- und Shakespeare-Experte, Theaterkritiker, Reisebuchautor,
Suhrkamp-Autor
Zahlreiche
Forschungs- und Lehraufenthalte an amerikanischen und italienischen
Universitäten
Schüler von Arnold
Bergstraesser und Theodor Eschenburg, Assistent von Gilbert Ziebura; 1965 Auslöser
der Studentenproteste an der FU Berlin („Fall Krippendorff), anfänglich große
Schwierigkeiten, im deutschen akademischen Betrieb Fuß zu fassen; stattdessen
Professur in Bologna
früher
Vermittler der amerikanischen Politikwissenschaft in Deutschland; einer der
Gründungsväter der Friedensforschung in Deutschland; nach eigener Angabe der
erste, der in der Bundesrepublik Deutschland im Fach Politikwissenschaft
promoviert wurde
Werdegang
1934 geboren
in Eisennach, Thüringen als Sohn des Ingenieurs Herbert Krippendorff und dessen
Frau Lotte, geb. Barthel
bis 1948
Schulbesuch in Halberstadt; Flucht nach Westdeutschland
1954 Abitur
in Ratingen
1954-1959
Studium der Geschichte, Philosophie und Politikwissenschaft an den
Universitäten Freiburg, Tübingen und FU Berlin
1959
Promotion in Tübingen bei Theodor Eschenburg zum Thema „Die
Liberal-Demokratische Partei Deutschlands in der Sowjetischen Besatzungszone
1945-1948“
1960-1961 Fulbright-Stipendiat an der Harvard
University, Cambridge, Mass.
1961-1962 Assistant
Instructor (Lehrbeauftragter) an der Yale University, New Haven
1962 Heirat
mit der jüdischen Schauspielerin Eve Slatner, die 1939 aus der Tschechoslowakei
geflüchtet war, zwei Söhne
1962-1963 Stipendiat der Rockefeller Foundation an der
Columbia University, New York
1963-1968
Assistent bei Gilbert Ziebura, Otto Suhr-Institut, FU Berlin
1965 im
Sommersemester an der FU Berlin Auslöser der Studentenproteste wegen Kritik am
FU-Rektor Herbert Lüers im Spandauer Volksblatt („Fall Krippendorff“)
1968-1969 Gastprofessor an der City University und der
Columbia University, New York
1969-1978
Professor für Internationale Beziehungen an der Johns Hopkins University,
Bologna
1970-1971
Gastprofessor an der Università degli Studi, Siena
1970
Verweigerung der Habilitation an der WISO-Fakultät der FU Berlin aus
politischen Gründen
1972
Habilitation in Politikwissenschaft, Universität Tübingen bei Theodor
Eschenburg
1973
gescheiterte Berufung an die Universität Konstanz aufgrund der Intervention des
Kultusministers Wilhelm Hahn (stattdessen wurde Ziebura berufen)
1975
Gastprofessor an der University of Sussex
1976-1979
Gastprofessor für Geschichtsphilosophie an der Università degli Studi, Urbino
1978-1999
Professor für Politikwissenschaft und Politik Nordamerikas am John F.
Kennedy-Institut für Nordamerikastudien, FU Berlin
seit 1984
Hinwendung zu literarischen Themen
1985
Gastprofessor für Friedensforschung an der Tokyo Universität
1987
Gastprofessor am Institut für Höhere Studien, Wien
1996-1997
SEL-Stiftungsprofessor an der TH Darmstadt
1998 Research Fellow, Thomas Jefferson Memorial
Foundation, Charlottesville, Virginia
1999
Emeritierung
2001
Visiting Fellow, Internationales Forschungszentrum Kulturwissenschaften, Wien
2007 Fellow
der Fondazione Bogliasco
Preise
2003 Città
delle Rose für die italienische Übersetzung von „Die Kunst, nicht regiert zu
werden“
Mitgliedschaften
SPD
Republikanischer
Club
Nachrufe
Arno, Widmann, Ohne des Krieg ist die Poesie nicht zu verstehen. Zum Tode des Politikwissenschaftlers und Friedensforschers Ekkehart Krippendorff. In: Frankfurter Rundschau vom 28.2.2018.
Werke
Bücher
Die
Liberal-Demokratische Partei Deutschlands in der Sowjetischen Besatzungszone
1945-1948. Entstehung, Struktur, Politik. Düsseldorf: Droste 1961.
Die
amerikanische Strategie. Entscheidungsprozeß und Instrumentarium der
amerikanischen Außenpolitik. Frankfurt: Suhrkamp 1970.
Internationales
System als Geschichte. Einführung in die internationalen Beziehungen 1.
Frankfurt: Campus 1975.
Internationale
Beziehungen als Wissenschaft. Einführung 2. Frankfurt: Campus 1977.
International Relations as a Social Science. Brighton: Harvester 1982.
Staat und
Krieg. Die historische Logik politischer Unvernunft. Frankfurt: Suhrkamp 1985.
Internationale
Politik. Geschichte und Theorie. Frankfurt: Campus 1986. (= überarbeitete
Fassung von Krippendorff 1975 und 1977)
Wie die
Großen mit den Menschen spielen. Goethes Politik. Frankfurt: Suhrkamp 1988.
Politische
Interpretationen: Shakespeare, Stendhal, Balzac, Hasek, Kafka, Kraus.
Frankfurt: Suhrkamp 1990.
Politik in
Shakespeares Dramen. Frankfurt: Suhrkamp 1992.
Militärkritik.
Frankfurt: Suhrkamp 1993.
Goethe. Politik
gegen den Zeitgeist. Frankfurt: Suhrkamp 1999.
Die Kunst,
nicht regiert zu werden. Ethische Politik von Sokrates bis Mozart. Frankfurt:
Suhrkamp 1999.
Kritik der
Außenpolitik. Frankfurt: Suhrkamp 2000.
Mit Markus
Euskirchen/Arend Wellmann, 100 Tage Militär. Exemplarischer Tätigkeitsbericht
über das älteste Gewerbe der Welt. Bremen: Donat 2000.
Jefferson
und Goethe. Hamburg: Europäische Verlagsanstalt 2001.
Mit Peter
Kammerer/Wolf-Dieter Narr, Franz von Assisi: Zeitgenosse für eine andere
Politik. Düsseldorf: Patmos 2008.
Die Kultur
des Politischen. Wege aus den Diskursen der Macht. Berlin: Kulturverlag Kadmos
2009.
Herausgeber
Political
Science. Amerikanische Beiträge zur Politikwissenschaft. Tübingen: Mohr 1966.
Friedensforschung.
Köln: Kiepenheuer & Witsch 1968. 4. Aufl. 1974.
Probleme der
Internationalen Beziehungen. Frankfurt: Suhrkamp 1972.
Internationale
Beziehungen: Köln: Kiepenheuer & Witsch 1973.
mit Volker Rittberger, The Foreign Policy of West
Germany: Formation and Contents. London: Sage 1980. = German Political Studies
Vol. 4.
The Role of the United States in the Reconstruction of
Italy and West Germany, 1943-1949. Berlin: J.F. Kennedy-Institut 1981. = Materialien 16.
mit Reimar
Stuckenbrock, Zur Kritik des Palme-Berichts. Atomwaffenfreie Zonen in Europa.
Berlin: Europäische Perspektiven 1983.
mit Ulrich
Albrecht, Elmar Altvater, Zusammenbruch oder Befreiung? Zur Aktualität des 8.
Mai 1945. Eine Berliner Universitätsvorlesung. Berlin: Europäische Perspektiven
1986.
Pazifismus in
den USA. 2 Bde. Berlin: J.F. Kennedy-Institut 1986. = Materialien 24.
mit Ulrich
Albrecht, Elmar Altvater, Was heißt und zu welchem Ende betreiben wir
Politikwissenschaft? Kritik und Selbstkritik aus dem Otto-Suhr-Institut.
Opladen: Westdeutscher Verlag 1989.
Abraham
Lincoln: Gettysburg Adress. Mit einem Essay „272 Worte“. Hamburg: Europäischer
Verlagsanstalt 1994.
Aufsätze (Auswahl)
Ist
Außenpolitik A u ß e n politik? Ein Beitrag zur Theorie und der Versuch, eine
unhaltbare Unterscheidung aufzuheben. In: Politische Vierteljahresschrift 4.1963,3.
S. 243-266.
Die Zukunft
der Entwicklungsländer. Innenpolitische Entwicklungstendenzen und ihre
Bedeutung für die internationale Politik. In: Die neue Gesellschaft 10.1963,5.
S. 401-413.
John F.
Kennedy. Rückblick nach einem Jahr. In: Zeitschrift für Politik 11.1964,4. S.
309-322.
John F.
Kennedy – Vision und Wirklichkeit. In;: Aus Politik und Zeitgeschichte
14.1964,4. S. 1-15.
Der Beitrag
der Wissenschaft zur Formulierung der amerikanischen Außenpolitik. In: Politische
Vierteljahresschrift 6.1965,4. S. 484-496.
Profil einer
Disziplin. Versuch über Herkunft und Stand der Politikwissenschaft in den
Vereinigten Staaten. In: Politische Vierteljahresschrift 6.1965,2. S. 184-204.
Deutsche
Beiträge zur Friedensforschung. In: Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie
57.1971,1. S. 117-127.
The State as a Focus of Peace Research. In: Peace
Research Society, Papers 16.1971. S. 47-60.
Das
Internationale System zwischen Stabilisierung und Klassenkampf. In:
Krippendorff 1972. S. 9-33.
Kollektive
Sicherheit oder internationaler Klassenkampf. In: Jahrbuch für Friedens- und
Konfliktforschung 3.1973. S. 21-31.
Peace Research and the Industrial Revolution. In:
Journal of Peace Research 10.1973,3. S.
Imperialismusbegriff
und Imperialismustheorie. In: Neue Politische Literatur 21.1976,2. S. 141-156.185-201.
Die
Entstehung des internationalen Systems. In: Neue Politische Literatur
22.1977,1. S. 36-48.
Migrationsbewegungen
und die Herausbildung des kapitalistischen Weltmarkts. In: Die Dritte Welt
6.1978,1. S. 74-106.
Revolutionary Foreign Policy in a Capitalist
Environment. In: Egbert Jahn (Hrsg.), Soviet Foreign Policy: Its Social and
Economic Conditions. New York: St. Martin´s Press 1978. S. 26-40.
Minorities, Violence and Peace Research. In: Journal
of Peace Research 16.1979,1. S. 27-40.
Focus on Peace – An Introduction. In: Journal of Peace
Research 1981,2. S. 109-
Die Rolle
des Krieges im kapitalistischen Weltsystem. In: Jochen Blaschke (Hrsg.),
Perspektiven des Weltsystems. Materialien zu Immanuel Wallerstein „Das moderne
Weltsystem“. Frankfurt: Campus 1983. S. 189-214.
The Dominance of American Approaches in International
Relations. In: Journal
of International Studies 16.1987,2. S. 207-24.
Krieg und
Staat in der Dritten Welt. In: Jahrbuch für Friedens- und Konfliktforschung
12.1988. S. 83-122.
Militär –
Herrschaft – Staat und die Friedensforschung. In: Jahrbuch für Friedens-und
Konfliktforschung 18.1991. S. 85-91.
Der
Golfkrieg. Die militarisierten internationalen Beziehungen und die
Friedensforschung. In: Jahrbuch für Friedens- und Konfliktforschung 19.1992. S.
51-60.
Pazifismus –
Bellizismus. Ein Essay. In: Jahrbuch Frieden 1993. S. 28-40.
Against the Politics of Scale. In: Peace Review 9.1997. S. 321-327.
Friedensforschung
als Entmilitarisierungsforschung. In: Jahrbuch für historische
Friedensforschung 8.1999. S. 313-324.
Zwischen
Normalität und Sonderweg. In: WeltTrends 8.2000, Nr. 28. S. 73-82.
Für einen
deutsche Pazifismus. In: Blätter für deutsche und internationale Politik
55.2001,7. S. 91-98.
Die
Vereinigten Staaten und Israel. Projektionsflächen für Hoffnung und Hass. In:
Blätter für deutsche und internationale Politik 47.2002,8. S. 943-953.
Was heißt
und zu welchem Ende studiert man Politikwissenschaft? In: Berliner Debatte
Initial 2.2005. S. 93-98.
Debatten
Krippendorff,
Ekkehart, Internationale Beziehungen. Versuch einer politökonomischen
Rahmenanalyse. In: Politische Vierteljahresschrift 14.1972,3. S. 348-373.
Wilms,
Bernhard, Internationale Politik und Historischer Materialismus. Eine kritische
Auseinandersetzung und eine systematische Überlegung. In: Politische
Vierteljahresschrift 13.1972,4. S. 470-500.
Krippendorff,
Ekkehart, Erwiderung auf Bernd Wilms. In: Politische Vierteljahresschrift
14.1973,3. S. 435-437.
Wilms, Bernhard,
Bemerkung zu Krippendorffs „Erwiderung“. In:
Politische Vierteljahresschrift 14.1973,3. S. 437-439.
Heine, Christian/Teschke, Benno, Sleeping Beauty and
the Dialectical Awakening: On the Potential of Dialectic for International
Relations. In: Millennium 25.1996,2. S. 399-423.
Krippendorff,
Ekkehart, Be Your Own Prince. In: Millennium 26.1997,2. S. 443-447.
„Die gute
Nachricht“. Kritik von Klaus-Jürgen Gantzel, Kriegsursachen. In: Ethik und
Sozialwissenschaften 8.1997,3. S. 282-284.
Festschrift
Thomas
Greven/Oliver Jarasch (Hrsg.), Für eine lebendige Wissenschaft des Politischen.
Umweg als Methode. Frankfurt: Suhrkamp 1999.
Autobiographie
Unzufrieden.
Vierzig Jahre Politische Wissenschaft. In: Blätter für deutsche und
internationale Politik 44.1999,8. S. 991-1002. (= Abschiedsvorlesung vom
8.7.1999 an der FU Berlin; Kurzfassung in Frankfurter Rundschau vom 9.7.1999.
S. 9)
Lebensfäden.
Zehn autobiographische Versuche. Heidelberg: Verlag Graswurzelrevolution 2012. (zum "Fall Krippendorff" S. 154-162)
Sekundärliteratur
Forndran,
Erhard, Kritik an E. Krippendorff, D. Senghaas und Th. Ebert. Düsseldorf:
Bertelsmann Universitätsverlag 1971.
S. v. P.,
Krippendorf wird entlassen. Dem Berliner Rektor beliebt, Exempel zu statuieren.
In: Die Zeit vom 2.7.1965, S. 10. (Autor war von der Gablentz)
Ziebura,
Gilbert, Kritik der „Realpolitik“. Genese einer linksliberalen Vision der
Weltgesellschaft. Autobiographie. Münster : LIT 2009. Darin: Der „Fall
Krippendorff“. S. 168-173.
Zum Weiterlesen
Freie Universität Berlin 1948-1973. Hochschule im Umbruch. Teil IV. 1964-1967 "Die Krise". Berlin: Pressestelle der FU Berlin 1973.
Tent, James F., The Free University of Berlin: A Political History. Bloomington, Ind.: Inidiana University Press 1988. (Zum "Fall Krippendorff" S. 299-306)
Wesel, Uwe,
Die verspielte Revolution. 1968 und die Folgen. München: Karl Blessing 2002.
Links
Internetseite
von Krippendorff unter http://userpage.fu-berlin.de/~kpdff/
UM