Krippendorff, Ekkehart

 
 
 Ekkehart Krippendorff

                                                                     *22.3.1934 in Eisenach

                                                      

Deutscher Politikwissenschaftler, Professor für Internationale Beziehungen der Johns Hopkins University, Bologna und der FU Berlin, John F. Kennedy-Institut und Otto Suhr-Institut mit literarischen Neigungen

Friedensforscher, USA-Experte, Italien-Experte, Politischer Theoretiker zum Thema Politik in Literatur und Theater, Goethe- und Shakespeare-Experte, Theaterkritiker, Reisebuchautor, Suhrkamp-Autor

Zahlreiche Forschungs- und Lehraufenthalte an amerikanischen und italienischen Universitäten

Schüler von Arnold Bergstraesser und Theodor Eschenburg, Assistent von Gilbert Ziebura; 1965 Auslöser der Studentenproteste an der FU Berlin („Fall Krippendorff), anfänglich große Schwierigkeiten, im deutschen akademischen Betrieb Fuß zu fassen; stattdessen Professur in Bologna

früher Vermittler der amerikanischen Politikwissenschaft in Deutschland; einer der Gründungsväter der Friedensforschung in Deutschland; nach eigener Angabe der erste, der in der Bundesrepublik Deutschland im Fach Politikwissenschaft promoviert wurde

 

Werdegang

 

1934 geboren in Eisennach, Thüringen als Sohn des Ingenieurs Herbert Krippendorff und dessen Frau Lotte, geb. Barthel

bis 1948 Schulbesuch in Halberstadt; Flucht nach Westdeutschland

1954 Abitur in Ratingen

1954-1959 Studium der Geschichte, Philosophie und Politikwissenschaft an den Universitäten Freiburg, Tübingen und FU Berlin

1959 Promotion in Tübingen bei Theodor Eschenburg zum Thema „Die Liberal-Demokratische Partei Deutschlands in der Sowjetischen Besatzungszone 1945-1948“

1960-1961 Fulbright-Stipendiat an der Harvard University, Cambridge, Mass.

1961-1962 Assistant Instructor (Lehrbeauftragter) an der Yale University, New Haven

1962 Heirat mit der jüdischen Schauspielerin Eve Slatner, die 1939 aus der Tschechoslowakei geflüchtet war, zwei Söhne

1962-1963 Stipendiat der Rockefeller Foundation an der Columbia University, New York

1963-1968 Assistent bei Gilbert Ziebura, Otto Suhr-Institut, FU Berlin

1965 im Sommersemester an der FU Berlin Auslöser der Studentenproteste wegen Kritik am FU-Rektor Herbert Lüers im Spandauer Volksblatt („Fall Krippendorff“)

1968-1969 Gastprofessor an der City University und der Columbia University, New York

1969-1978 Professor für Internationale Beziehungen an der Johns Hopkins University, Bologna

1970-1971 Gastprofessor an der Università degli Studi, Siena

1970 Verweigerung der Habilitation an der WISO-Fakultät der FU Berlin aus politischen Gründen

1972 Habilitation in Politikwissenschaft, Universität Tübingen bei Theodor Eschenburg

1973 gescheiterte Berufung an die Universität Konstanz aufgrund der Intervention des Kultusministers Wilhelm Hahn (stattdessen wurde Ziebura berufen)

1975 Gastprofessor an der University of Sussex

1976-1979 Gastprofessor für Geschichtsphilosophie an der Università degli Studi, Urbino

1978-1999 Professor für Politikwissenschaft und Politik Nordamerikas am John F. Kennedy-Institut für Nordamerikastudien, FU Berlin

seit 1984 Hinwendung zu literarischen Themen

1985 Gastprofessor für Friedensforschung an der Tokyo Universität

1987 Gastprofessor am Institut für Höhere Studien, Wien

1996-1997 SEL-Stiftungsprofessor an der TH Darmstadt

1998 Research Fellow, Thomas Jefferson Memorial Foundation, Charlottesville, Virginia

1999 Emeritierung

2001 Visiting Fellow, Internationales Forschungszentrum Kulturwissenschaften, Wien

2007 Fellow der Fondazione Bogliasco

 

Preise

 

2003 Città delle Rose für die italienische Übersetzung von „Die Kunst, nicht regiert zu werden“

 

Mitgliedschaften

 

SPD

Republikanischer Club

 

Werke

 

Bücher

 

Die Liberal-Demokratische Partei Deutschlands in der Sowjetischen Besatzungszone 1945-1948. Entstehung, Struktur, Politik. Düsseldorf: Droste 1961.

Die amerikanische Strategie. Entscheidungsprozeß und Instrumentarium der amerikanischen Außenpolitik. Frankfurt: Suhrkamp 1970.

Internationales System als Geschichte. Einführung in die internationalen Beziehungen 1. Frankfurt: Campus 1975.

Internationale Beziehungen als Wissenschaft. Einführung 2. Frankfurt: Campus 1977.

International Relations as a Social Science. Brighton: Harvester 1982.

Staat und Krieg. Die historische Logik politischer Unvernunft. Frankfurt: Suhrkamp 1985.

Internationale Politik. Geschichte und Theorie. Frankfurt: Campus 1986. (= überarbeitete Fassung von Krippendorff 1975 und 1977)

  
 

Wie die Großen mit den Menschen spielen. Goethes Politik. Frankfurt: Suhrkamp 1988.

Politische Interpretationen: Shakespeare, Stendhal, Balzac, Hasek, Kafka, Kraus. Frankfurt: Suhrkamp 1990.

Politik in Shakespeares Dramen. Frankfurt: Suhrkamp 1992.

Militärkritik. Frankfurt: Suhrkamp 1993.

Goethe. Politik gegen den Zeitgeist. Frankfurt: Suhrkamp 1999.

Die Kunst, nicht regiert zu werden. Ethische Politik von Sokrates bis Mozart. Frankfurt: Suhrkamp 1999.

Kritik der Außenpolitik. Frankfurt: Suhrkamp 2000.

Mit Markus Euskirchen/Arend Wellmann, 100 Tage Militär. Exemplarischer Tätigkeitsbericht über das älteste Gewerbe der Welt. Bremen: Donat 2000.

Jefferson und Goethe. Hamburg: Europäische Verlagsanstalt 2001.

Mit Peter Kammerer/Wolf-Dieter Narr, Franz von Assisi: Zeitgenosse für eine andere Politik. Düsseldorf: Patmos 2008.

Die Kultur des Politischen. Wege aus den Diskursen der Macht. Berlin: Kulturverlag Kadmos 2009.

 

Herausgeber

Political Science. Amerikanische Beiträge zur Politikwissenschaft. Tübingen: Mohr 1966.

Friedensforschung. Köln: Kiepenheuer & Witsch 1968. 4. Aufl. 1974.

Probleme der Internationalen Beziehungen. Frankfurt: Suhrkamp 1972.

Internationale Beziehungen: Köln: Kiepenheuer & Witsch 1973.

  
 

mit Volker Rittberger, The Foreign Policy of West Germany: Formation and Contents. London: Sage 1980. = German Political Studies Vol. 4.

The Role of the United States in the Reconstruction of Italy and West Germany, 1943-1949. Berlin: J.F. Kennedy-Institut 1981. = Materialien 16.

mit Reimar Stuckenbrock, Zur Kritik des Palme-Berichts. Atomwaffenfreie Zonen in Europa. Berlin: Europäische Perspektiven 1983.

mit Ulrich Albrecht, Elmar Altvater, Zusammenbruch oder Befreiung? Zur Aktualität des 8. Mai 1945. Eine Berliner Universitätsvorlesung. Berlin: Europäische Perspektiven 1986.

Pazifismus in den USA. 2 Bde. Berlin: J.F. Kennedy-Institut 1986. = Materialien 24.

mit Ulrich Albrecht, Elmar Altvater, Was heißt und zu welchem Ende betreiben wir Politikwissenschaft? Kritik und Selbstkritik aus dem Otto-Suhr-Institut. Opladen: Westdeutscher Verlag 1989.

Abraham Lincoln: Gettysburg Adress. Mit einem Essay „272 Worte“. Hamburg: Europäischer Verlagsanstalt 1994.

 

Aufsätze (Auswahl)

 

Ist Außenpolitik A u ß e n politik? Ein Beitrag zur Theorie und der Versuch, eine unhaltbare Unterscheidung aufzuheben. In: Politische Vierteljahresschrift 4.1963,3. S. 243-266.

Die Zukunft der Entwicklungsländer. Innenpolitische Entwicklungstendenzen und ihre Bedeutung für die internationale Politik. In: Die neue Gesellschaft 10.1963,5. S. 401-413.

John F. Kennedy. Rückblick nach einem Jahr. In: Zeitschrift für Politik 11.1964,4. S. 309-322.

John F. Kennedy – Vision und Wirklichkeit. In;: Aus Politik und Zeitgeschichte 14.1964,4. S. 1-15.

Der Beitrag der Wissenschaft zur Formulierung der amerikanischen Außenpolitik. In: Politische Vierteljahresschrift 6.1965,4. S. 484-496.

Profil einer Disziplin. Versuch über Herkunft und Stand der Politikwissenschaft in den Vereinigten Staaten. In: Politische Vierteljahresschrift 6.1965,2. S. 184-204.

Deutsche Beiträge zur Friedensforschung. In: Archiv für Rechts- und Sozialphilosophie 57.1971,1. S. 117-127.

The State as a Focus of Peace Research. In: Peace Research Society, Papers 16.1971. S. 47-60.

Das Internationale System zwischen Stabilisierung und Klassenkampf. In: Krippendorff 1972. S. 9-33.

Kollektive Sicherheit oder internationaler Klassenkampf. In: Jahrbuch für Friedens- und Konfliktforschung 3.1973. S. 21-31.

Peace Research and the Industrial Revolution. In: Journal of Peace Research 10.1973,3. S.

Imperialismusbegriff und Imperialismustheorie. In: Neue Politische Literatur 21.1976,2. S. 141-156.185-201.

Die Entstehung des internationalen Systems. In: Neue Politische Literatur 22.1977,1. S. 36-48.

Migrationsbewegungen und die Herausbildung des kapitalistischen Weltmarkts. In: Die Dritte Welt 6.1978,1. S. 74-106.

Revolutionary Foreign Policy in a Capitalist Environment. In: Egbert Jahn (Hrsg.), Soviet Foreign Policy: Its Social and Economic Conditions. New York: St. Martin´s Press 1978. S. 26-40.

Minorities, Violence and Peace Research. In: Journal of Peace Research 16.1979,1. S. 27-40.

Focus on Peace – An Introduction. In: Journal of Peace Research 1981,2. S. 109-

Die Rolle des Krieges im kapitalistischen Weltsystem. In: Jochen Blaschke (Hrsg.), Perspektiven des Weltsystems. Materialien zu Immanuel Wallerstein „Das moderne Weltsystem“. Frankfurt: Campus 1983. S. 189-214.

The Dominance of American Approaches in International Relations. In: Journal of International Studies 16.1987,2. S. 207-24.

Krieg und Staat in der Dritten Welt. In: Jahrbuch für Friedens- und Konfliktforschung 12.1988. S. 83-122.

Militär – Herrschaft – Staat und die Friedensforschung. In: Jahrbuch für Friedens-und Konfliktforschung 18.1991. S. 85-91.

Der Golfkrieg. Die militarisierten internationalen Beziehungen und die Friedensforschung. In: Jahrbuch für Friedens- und Konfliktforschung 19.1992. S. 51-60.

Pazifismus – Bellizismus. Ein Essay. In: Jahrbuch Frieden 1993. S. 28-40.

Against the Politics of Scale. In: Peace Review 9.1997. S. 321-327.

Friedensforschung als Entmilitarisierungsforschung. In: Jahrbuch für historische Friedensforschung 8.1999. S. 313-324.

Zwischen Normalität und Sonderweg. In: WeltTrends 8.2000, Nr. 28. S. 73-82.

Für einen deutsche Pazifismus. In: Blätter für deutsche und internationale Politik 55.2001,7. S. 91-98.

Die Vereinigten Staaten und Israel. Projektionsflächen für Hoffnung und Hass. In: Blätter für deutsche und internationale Politik 47.2002,8. S. 943-953.

Was heißt und zu welchem Ende studiert man Politikwissenschaft? In: Berliner Debatte Initial 2.2005. S. 93-98.

 

Debatten

 

Krippendorff, Ekkehart, Internationale Beziehungen. Versuch einer politökonomischen Rahmenanalyse. In: Politische Vierteljahresschrift 14.1972,3. S. 348-373.

Wilms, Bernhard, Internationale Politik und Historischer Materialismus. Eine kritische Auseinandersetzung und eine systematische Überlegung. In: Politische Vierteljahresschrift 13.1972,4. S. 470-500.

Krippendorff, Ekkehart, Erwiderung auf Bernd Wilms. In: Politische Vierteljahresschrift 14.1973,3. S. 435-437.

Wilms, Bernhard, Bemerkung zu Krippendorffs „Erwiderung“. In: Politische Vierteljahresschrift 14.1973,3. S. 437-439.

Heine, Christian/Teschke, Benno, Sleeping Beauty and the Dialectical Awakening: On the Potential of Dialectic for International Relations. In: Millennium 25.1996,2. S. 399-423.

 Krippendorff, Ekkehart, Be Your Own Prince. In: Millennium 26.1997,2. S. 443-447.

„Die gute Nachricht“. Kritik von Klaus-Jürgen Gantzel, Kriegsursachen. In: Ethik und Sozialwissenschaften 8.1997,3. S. 282-284.

 

Festschrift

 

Thomas Greven/Oliver Jarasch (Hrsg.), Für eine lebendige Wissenschaft des Politischen. Umweg als Methode. Frankfurt: Suhrkamp 1999.

 

 

Autobiographie

 

Unzufrieden. Vierzig Jahre Politische Wissenschaft. In: Blätter für deutsche und internationale Politik 44.1999,8. S. 991-1002. (= Abschiedsvorlesung vom 8.7.1999 an der FU Berlin; Kurzfassung in Frankfurter Rundschau vom 9.7.1999. S. 9)

Lebensfäden. Zehn autobiographische Versuche. Heidelberg: Verlag Graswurzelrevolution 2012. (zum "Fall Krippendorff" S. 154-162)

 

 

Sekundärliteratur

 

Forndran, Erhard, Kritik an E. Krippendorff, D. Senghaas und Th. Ebert. Düsseldorf: Bertelsmann Universitätsverlag 1971.

S. v. P., Krippendorf wird entlassen. Dem Berliner Rektor beliebt, Exempel zu statuieren. In: Die Zeit vom 2.7.1965, S. 10. (Autor war von der Gablentz)

Ziebura, Gilbert, Kritik der „Realpolitik“. Genese einer linksliberalen Vision der Weltgesellschaft. Autobiographie. Münster : LIT 2009. Darin: Der „Fall Krippendorff“. S. 168-173.

 

Zum Weiterlesen

Freie Universität Berlin 1948-1973. Hochschule im Umbruch. Teil IV. 1964-1967 "Die Krise". Berlin: Pressestelle der FU Berlin 1973.

Tent, James F., The Free University of Berlin: A Political History. Bloomington, Ind.: Inidiana University Press 1988. (Zum "Fall Krippendorff" S. 299-306)

Wesel, Uwe, Die verspielte Revolution. 1968 und die Folgen. München: Karl Blessing 2002.

 

 

Links

 

Internetseite von Krippendorff unter http://userpage.fu-berlin.de/~kpdff/

 

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